Page 5 - alt & jung 04/2021
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 der eigenen Partei unterschiedliche Prädikate über „Parteifreunde“ ver- geben wurden, die einen wenig schmeichelhaften Eindruck hinter- ließen. Das geschah in einer Weise, dass sie sich anschließend stets damit herausredeten, „das habe man alles nicht so gemeint“. Manche Leute hatten demnach wohl nur das gesagt, was sie eben nicht meinten. Tatsächlich aber wussten sie genau, dass der Genannte auf diese Weise nur auf das Gemeinte antworten durfte, nicht auf das Gesagte. Die Prügel musste er jedenfalls einste- cken, das war in Wirklichkeit gewollt und gemeint, und so war es auch ge- sagt worden. Ich bleibe dabei, dass solcherlei Verhalten das Vertrauen beim Wähler schmälert. Unaufhörli- che Kritik um ihrer selbst willen im eigenen Lager schwächt jeden Team- geist und untergräbt Hoffnung und Zuversicht auf den Erfolg. Schlim- mer noch, die eigenen Argumente verlieren ihre Wirkung, sie werden unglaubwürdig, wirken abgedro- schen und fad. Endloskritiker wer- den vom Wähler gemeinhin nicht geschätzt und gehen am Ende na- hezu jedem „auf den Keks“. Einen handfesten Nutzen haben sie am Ende dann doch noch, paradoxer- weise geraten sie dem politischen Gegner zum Erfolg. Die Wählerinnen und Wähler schätzen – zu Recht! – bekanntlich keine Partei, deren Ak- teure landauf, landab nölend und quengelnd, nörgelnd und missmutig, unzugänglich und pessimistisch der Welt gegenübertreten und die Ner- ven ihrer Mitmenschen malträtie- ren. Allein schon der Gedanke, beim morgendlichen Frühstück auf einen Tischnachbarn zu treffen, der einem zum Kaffee bereits den ganzen Jam- mer und die Verdrießlichkeit der Gegenwart mitserviert, schafft ver- ständliche Reaktionen: man sucht
schleunigst das Weite, zumindest einen weiter abseits stehenden Tisch.
Unvergessen dagegen bleiben die Erinnerungen an Helmut Kohl, als dieser mit der ganzen Lebendigkeit seines Charakters und seines Äuße- ren immer wieder verkündete, wo- nach unkomplizierte Offenheit und natürliche Freude stets alle Türen öffnet und sie im Wahlkampf die er- folgreichsten persönlichen Verhal- tensmuster dafür sind, die Wähler zu erreichen und sie für sich zu gewin- nen. In weiten Teilen der Union fei- erte aber eine allseits umsichgrei- fende Miesepeterei fröhliche Ur- ständ, die jede Erfolgschance verhin- derte und die auch auf die Dauer nur die einzige Gewähr dafür bietet, völlig an Bedeutung zu verlieren.
Und dennoch ist bei genauerem Hinsehen nicht alles schiefgelaufen, wie man es auf den ersten Blick glau- ben mag. Zwar haben viele Ältere der Unionsanhänger der Partei dies- mal den Rücken gekehrt, ihr aber an- dererseits noch zu so vielen Stim- men verholfen, die sie vor einem totalen Fiasko bewahrt hat und ihr eine Rückkehr in ihre einstige Be- deutung möglich macht. Die älteren Bürgerinnen und Bürger sind ihr glücklicherweise, wenn auch mit herben Verlusten, noch weitestge- hend treu geblieben, und auch die
Jüngeren sind gewiss zurückzuge- winnen, wenn die Union die Zeichen der Zeit erkennt und notwendigen Reformen mehr Raum gibt. Einer jünger werdenden Partei wird nie- mand entgegenstehen, die Älteren schon gar nicht. Sie können es logi- scherweise auch nicht, wenn Jün- gere wieder verstärkt in die CDU eintreten und deren Durchschnitts- alter zu ihren Gunsten verändern. Doch das müssen die Jüngeren ge- fälligst schon selbst machen. Natür- lich sind ihre neuen Ideen besonders gefragt, ihr Elan, ihre Aufbruchstim- mung, ihre Begeisterung und Neu- gierde, über den Horizont zu blicken, das Unbekannte zu entdecken, es zu nutzen, die Gesellschaft vor dem Stillstand zu bewahren. Doch trotz aller notwendigen, der neuen Zeit zugewandten Blicke und Wünsche, wird eine mit dem Neuen verbun- dene Befriedung der Gesellschaft ohne die Lebenserfahrung, die Be- sonnenheit, Nüchternheit und Machbarkeit der Älteren kaum zu erreichen sein. Und auf diesem Feld wird sich aufgrund der demographi- schen Entwicklung auch in Zukunft vorerst wenig ändern.
Ich bleibe trotzdem großer Opti- mist. Noch in keiner Zeit zuvor war das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Großeltern, Eltern, Kin- dern und Enkeln so positiv geprägt wie in der Gegenwart. Diese Gele- genheit gilt es zu nutzen, die Refor- men weitestgehend im Sinne der Generationengerechtigkeit und ihrer Nachhaltigkeit zu gestalten.
Das Tandem von Alt und Jung, verkörpert in der Gemeinschaft von Senioren-Union und Junger Union, war eine ebenso erfolgreiche wie auch Aufmerksamkeit erregende neue Gruppe der CDU. Alle Vereini- gungen waren übrigens immer von großem Vorteil für die Partei. Es ist
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 Fotos: moofushi/adobe.Stock.com; FUNKE Foto Services/Kai Kitschenberg


























































































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