Page 33 - Senioren-Union Magazin "Alt & Jung" Ausgabe 2/2020
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 Gesellschaft
  Prof. Dr. Mario Voigt wurde 1977 in Jena geboren und ist Vorsitzender der CDU-Fraktion im thüringischen Land- tag. Seit 2017 lehrt er als Professor für Digitale Transformation und Poli- tik an der privaten Fachhochschule Quadriga Hochschule Berlin.
Jahren gelungen, aus einer hohen staatlichen Verschuldung herauszukommen; wir sind uns sicher, dass auf Basis unser Grundwerte, die den ausgepräg- ten Erfindergeist und die Prob- lemlösungsqualitäten unserer Gesellschaft erst hervorbringen, auch die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns rasch wieder abgebaut werden können.
Mario Voigt: Der Maßstab für die Politik muss lauten: das Land zusammenhalten und nah an den Sorgen der Bürger sein. Das ist als Politikansatz auch dann noch gefragt, wenn die un- mittelbare Bedrohung gebannt ist und es ans Aufräumen geht. Die allenthalben geschnürten Hilfspakete zeigen, wir bleiben in einer Gesamthaftung: für die Menschen, deren Arbeitsplatz gefährdet sind, für die Wirtschaft als Voraussetzung unseres Wohl- standes, für die Kommunen, in denen die Bürger leben, für den großen sozialen und kulturellen Bereich, der vielfach vom Ehren- amt getragen wird. Für die enor- men Kosten, die all dies verur- sacht. Die Corona-Krise ordnet zugleich die Dinge neu. Es ist eine Notsituation, die uns zwingt, in vielen Bereichen neu nachzudenken und neu zu orga-
nisieren. Das gilt für das Private, wenn die Schulbank ins Wohn- zimmer rückt, während die Eltern in Arbeitszimmer und Küche im Home-Office arbeiten. Das gilt für die Wirtschaft, die in vielen Branchen gerade neu überlegen muss, wie sie Produktion und Vertrieb den neuen Gegebenhei- ten anpassen kann. Und das gilt für die Politik. Probleme, die noch gestern wichtig, echte Auf- reger waren oder schienen, sind über Nacht in den Hintergrund getreten. Weil die konkreten Pro- bleme der Bürger im Mittelpunkt stehen und nicht ideologische Nischenthemen. Das ist gut so.
Bettina Wiesmann: Vielleicht ist das Innehalten, die gezwun- gene Verlangsamung notwendig gewesen, um uns manches Wich- tige wieder deutlich zu machen. Es war ja nicht verloren, aber wir haben alle miteinander mögli- cherweise zu viel Kraft in die vie- len kleinen Optimierungen ge- legt, die wir in den letzten Jahren erreicht haben. Wäre nicht die Digitalisierung schon begonnen worden, hätte uns die Krise viel stärker getroffen. Wäre unser
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Wir wollen den Familien in Zukunft mehr Zeitsouveränität geben.
In Zeiten von Corona erle- ben wir eine Welle der Solidarität der Bürgerinnen und Bürger untereinander. Musste unsere Gesellschaft von einem Virus existentiell bedroht werden, um sich daran zu erinnern, was wirklich wichtig ist im Leben?
Mario Voigt: Tatsächlich ent- steht sehr oft dieses gute Ge- fühl. Die Krise hat uns auf jeden Fall wieder andere Prioritäten setzen lassen und man stellt schnell fest, was man an etwas oder jemandem hat, wenn man es nicht mehr hat. Am Ende der Krise werden wir sehen, was von der Solidarität übriggeblieben ist und ich hoffe inständig, dass das aktuelle Gefühl der Zusam- mengehörigkeit, das ich ent- decken kann, nicht zu schnell verpufft.
Bettina Wiesmann
Gesundheitswesen nicht so ro- bust und breit aufgestellt, auch mit einer guten Grundausstat- tung, so hätten wohl viele Men- schen weniger Chancen gehabt, die Erkrankungen durch das Virus zu überstehen. Auch der Föderalismus hat sich bewährt. Füreinander einzustehen, das haben auch vor der Krise viele Menschen, gerade auch im eh- renamtlichen Bereich, jeden Tag praktiziert. Jetzt wird überdeut- lich, welch großer Reichtum dies für unsere Gesellschaft ist.
Das Interview führte Roger Pautz
Das komplette Interview finden Sie auf: www.senioren-union.de
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Info
Fotos: CDU-Fraktion; Laurence Chaperon

















































































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