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Anfang gestanden hat: in der Kommunalpolitik. Seit zwei Jah- ren sitzt sie im Rat ihrer Ge- burtsstadt Erfurt.
Herren mit Stehkragen
Wenn Wulff in die Geschichte der CDU blickt, steht er selbst als zwölfjähriger Junge in der Küche eines Kaufmannshauses. Es ist November 1945, der Zweite Weltkrieg ist gerade vor- bei, Deutschland hungert, Bom- ben, Schuld und Naziterror ste- cken dem Land in den Knochen. Im Wulff‘schen Wohnzimmer stehen zehn Männer um einen Tisch: ein Werkzeugmacher, ein Maurer, ein Eisenbahner, ein Fri-
seur, zwei Bauern, ein Versicherungsvertreter, ein Schreinermeister, ein Kaufmann und ein Stellma- cher (das waren Tischler, die sich vor allem auf höl- zerne Räder für Pferdekarren spezialisiert hatten). Es ist die Gründungsversammlung des CDU-Orts- verbands Hennen.
Die Herren sind zu Fuß gekommen oder mit dem Fahrrad. Sie stammen aus allen Schichten, aber eines verbindet sie: Jeder trägt Stehkragen. Der Stehkragen steht für Gesittung alter Schule, für jene christlich-zivile Bürgerhaltung, welche die Nazis mit ihrem Uniformwahn verlacht hatten. Die einzige Frau beim Gründungsakt war Mutter Wulff, und die stand in der Küche. „Das war die Quote damals, und die Quotenfrau kochte eine Erbsen- suppe“, sagt der alte Herr heute.
Lilli Fischer steht mit ihren 20 Jahren nicht mehr nebenan am Herd, auch wenn sie sagt: „Erbsen- suppe? Doch, kriege ich hin, mag ich aber nicht so.“
 

























































































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