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Kommentar von Heribert Prantl
Vom Umgang mit harten
Brettern
Was man beim Naturschutz vom Biber lernen kann
Der Bund Naturschutz hat mir vor einiger Zeit ein Paket mit Zeit- schriften und sons-
tigen Materialien geschickt; dar- unter war auch ein Prospekt über den Biber. Darin standen nun spektakuläre Dinge zu lesen. Was der Biber so alles kann: „Mit seinen selbst schärfenden Na- gezähnen und unglaublicher Bisskraft bearbeitet er Baum- stämme, als wären es Karotten“. So kommt er, zumal im Winter, an die nahrhafte Rinde von dün- nen Ästen und Zweigen; und dann nutzt er die abgenagten Äste und Bäume als Baumate- rial. Der Biber, so hieß es, sei ein ökologischer Baumeister – ein Freund und Helfer, der neue Feuchtgebiete schaffe und damit ein kleinräumiges Mosaik ver- schiedener Biotope, ja er arbeite „Hand in Pfote“ mit der Wasser- wirtschaft bei Aufbau eines na- turnahen dezentralen Hochwas- serschutzes. Zusammenfassung: Wo immer der Biber anpackt, „macht er die Landschaft ab- wechslungsreicher“.
Das würde man vom Men- schen auch gern sagen, dass der, wo immer er anpackt, die Land- schaft abwechslungsreicher macht. Was Biber alles bewegen können. Sie sind sozusagen ein Vorbild für die Bürger, die etwas bewegen wollen. Der Biber kann, je nach Härte des Holzes, in
einer Nacht einen fünfzig Zenti- meter dicken Baum fällen.
Beim Nachdenken über diese Meisterleistung im harten Holz kann einem der Soziologe Max Weber einfallen. Der hat 1919 in einer Schwabinger Buchhand- lung seinen Vortrag „Politik als Beruf“ gehalten. Darin findet sich der berühmte Satz über die Politik, die „ein langsames Boh- ren von harten Brettern mit Lei- denschaft und Augenmaß zu- gleich“ bedeute. Ob Max Weber, als er das schrieb, an den Biber gedacht hat? Beim Bearbeiten von Hartholz ist der Biber gewiss ein Vorbild für jeden Politiker und für jeden engagierten Bür- ger auch: „Die selbstschärfen- den Zähne“, so steht es im Pros- pekt vom Bund Naturschutz, „sind wahre Stemmeisen; mit
einer Kraft von 120 Kilopond schneiden sie sogar Eichenholz“. Von einem so effizienten Um- gang mit harten Brettern kann selbst der bayerische Minister- präsident nur träumen. Auf diese Weise wird das animal la- borans zum Vorbild für jeden homo politicus.
Demokratie beginnt mit der Übernahme von Verantwortung. Und Verantwortung hat mit Ant- wort zu tun. Etwas verantworten bedeutet, der Gesellschaft Re- chenschaft abzulegen für sein Tun, ihr eine Antwort zu geben: Verantworten heißt antworten. Verantworten heißt: sich von Dritten zur Rechenschaft ziehen lassen. Wer behauptet, nur vor sich selbst verantwortlich zu sein, handelt daher unverant- wortlich. Zur politischen und ge- sellschaftlichen Verantwortung gehört also zu allererst die Ant- wort auf die große Frage: In wel- cher Gesellschaft wollen wir ei- gentlich leben?
Wie wäre es mit einer Gesell- schaft, die Heimat sein kann für Mensch und Tier? Wie wäre es mit einer Gesellschaft, in der die Natur noch Natur bleiben kann? Wenn die letzten Ausgleichsflä- chen verschwunden sind, ist es vorbei. Dann wäre aus Deutsch- land ein flächendeckend versie- geltes Gewerbegebiet gewor- den. Das ist nicht die Heimat, in der man sich wohlfühlt.
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Prof. Dr. Heribert Prantl
langjährig Leiter der Redaktio- nen Innenpolitik und Meinung sowie Mitglied der Chefredak- tion der Süddeutschen Zeitung
KOLUMNE
Foto: Jürgen Bauer