Page 11 - alt & jung 02/2021
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 Fast alle größeren Projekte haben jetzt schon eine starke IT-Basis. Wer in Zukunft leitende Funktionen übernehmen will, muss Erfahrungen mit IT-Projekten haben. Anders wird man den Erfolg von Projekten kaum gewährleisten kön- nen. Auch Perspektivwechsel müssen belohnt werden. Statt sich Talente unter den Behörden gegenseitig abzuwerben, wollen wir eine Rotati- onspflicht einführen. Ich muss also auch mal woanders gearbeitet haben, wenn ich aufstei- gen möchte. Das bringt neue Ideen und schafft Verständnis für die Anforderungen und Probleme der anderen Behörden. Ein neuer und neutraler Blick von außen kann sowieso sehr heilsam sein, weswegen wir die Einstellungsvo- raussetzungen für Querwechsler flexibilisieren sollten. Wenn wir hochausgebildete Experten von außen gewinnen wollen, dürfen wir ihnen nicht Steine in den Weg legen. Interne Stellen- ausschreibungen wollen wir ganz verbieten.
Erfolgreiche Transformation klappt meistens nicht auf Anhieb. Fehler sind dabei wichtige Er- fahrungen, um weiter zu kommen und besser zu werden. Wer Fehler macht, während er eine neue Idee umsetzt, sollte daher honoriert und nicht mehr schief angeschaut werden. Zukünf- tig sollte der Mut zu neuen Projekten bei der Personalbeförderung eine Rolle spielen (auch oder gerade wenn dabei Fehler passieren). Lei- tungsverantwortliche sollen öfter darüber berichten müssen, wo sie bei Projekten Fehler begangen haben. Wer nie Fehler macht, kann wahrscheinlich auch keine mutigen Projekte nachweisen.
Bessere Gesetzte und eine datenbasierte Politik
Auch die Politik muss sich verändern: Wir müssen lernen, datenbasierter und differenziert Entschei- dungen zu treffen. Häufig geschieht Politik nach persönlichem Gusto. Da geht es um ideologische Debatten um ein generelles Tempolimit oder um Wohnungsenteignungen. Wenn wir uns genau an- schauen, wo ein Tempolimit wegen objektiv er- höhter Unfallgefahr Sinn macht und wo nicht, könnten wir uns so manchen undifferenzierten Aktionismus sparen.
Wir müssen den Erfolg unserer Entscheidungen viel stärker kontrollieren. Mit einem Gesetz sollten wir auch immer Ziele mit verabschieden, an denen der Erfolg des Gesetzes gemessen wird. Wenn ein Gesetz das Ziel hat, den Anteil zugelassener Elekt- roautos zu erhöhen, muss das auch noch in harten
Zahlen erkennbar sein. Wenn ein Gesetz seine Ziele nicht erfüllt, muss es so lange nachgebessert werden, bis es das tut oder es ver- liert seine Gültigkeit.
Doch bevor Gesetze wirken können, müssen sie auch digital umsetzbar sein: Nahezu alle Ge- setze verlangen irgendetwas von Bürgern, Behörden oder Unter- nehmen. Wir sollten uns selbst verpflichten, neue Anforderun- gen erst zu verabschieden, wenn die Abwicklung für die Betroffe- nen digital erfolgen kann. Ge- setze brauchen einen Digital- TÜV. Auch sollten wir die Bürger von ihren „Dafür bin ich nicht zuständig“-Trauma befreien, in dem wir das Recht auf verbindli- che Auskunft einführen. Behör- den müssen dann zukünftig mit- teilen, wie etwas denn gehen kann, anstatt immer nur festzu- stellen, dass etwas nicht geht.
Das alles wird nur klappen, wenn wir klug digitalisieren und dabei offene Standards und Schnittstellen nutzen, über die Behörden quer durch die Bun- desrepublik zusammen an einem Strang ziehen, ihr Silo-Denken verabschieden können. Die Zeit ist jetzt reif für ein Reformjahr- zehnt. Lasst uns gemeinsam einen NEUSTAAT machen.
Thomas Heilmann ist Bundestagsabgeord- neter für Berlin Steglitz-Zehlendorf und Mitglied im Vor- stand der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. Im Juni 2020 veröf- fentlichte er gemein- sam mit Co- Autorin Nadine Schön seinen Bestseller NEUSTAAT. Heilmann war von 2011 bis 2016 Justiz- senator von Berlin. Davor startete er eine erfolgreiche Karierre als Serien-Gründer und Startfinanzierter von namhaften Inter- net-Unternehmen (u.a. Xing, MyToys und Facebook).
Intern
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Zur Person:






















































































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